Liquidieren oder Insolvenzantrag – Vorteile und Nachteile

Die Gretchenfrage des Geschäftsführers einer mittelständischen GmbH: Liquidieren oder Insolvenzantrag – was ist für mich persönlich finanziell günstiger?

Zwischen „inhabergeführten“ GmbHs und Firmen mit Fremdgeschäftsführung gibt es einen wesentlichen Unterschied: Der Geschäftsführer einer GmbH, der zugleich Mitgesellschafter ist, ist einem deutlich höheren Zahlungsrisiko in der Insolvenz ausgesetzt.

Von Vorteil – auch im Rahmen der noch möglichen Gestaltung und Einflussnahme – kann es daher sein, sich bereits weit vor der wirtschaftlichen Krise als GmbH-Geschäftsführer darüber Gedanken zu machen, welche finanziellen Folgen eine Insolvenz der Firma für einen persönlich haben kann.

Mit diesem Text möchte ich Ihnen keine detaillierte Erläuterung von Haftungsgefahren geben, sondern nur einen ersten Anhaltspunkt für die finanziellen Fettnäpfchen, in die man als Geschäftsführer einer GmbH, bei der man Gesellschafter oder Mitgesellschafter ist, im Zuge der Insolvenz geraten kann.

Es wird, wenn man diese finanziellen Verpflichtungen zusammenaddiert, möglicherweise festzustellen sein, dass eine Liquidation die günstigere Alternative ist. Der Knackpunkt einer Liquidation liegt immer darin, dass die Dauerschuldverhältnisse (und hierbei zumeist Miete und Arbeitsverhältnisse) mit längeren Kündigungsfristen verbunden sind und demzufolge länger andauernde finanzielle Zahlungsverpflichtungen mit sich bringen. Wenn man aber bereits zu Beginn einer wirtschaftlichen Krise weiß, dass die Liquidation eine mögliche Alternative ist, kann man sich in diese Richtung hin bewegen und

  • früh Kündigungen aussprechen
  • oder sich um eine Reduzierung der Zahlungsverpflichtungen dergestalt bemühen, dass der Vermieter früh angesprochen oder Untermietverhältnisse frühzeitig gesucht werden.

Wie auch in vielen anderen Lebenslagen gilt: Eine frühzeitige Analyse und Planung erweitert die Handlungsmöglichkeiten.

Finanzielle Verpflichtungen

Was sind nun die wesentlichen finanziellen Verpflichtungen, die einen Geschäftsführer einer GmbH, der zugleich Gesellschafter ist, treffen können?

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle drei wesentliche Gründe für eine Zahlungspflicht benennen. Dabei setze ich voraus, dass der Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt wird und damit die finanziellen Folgen einer Schadensersatzpflicht wegen Insolvenzverschleppung keine Rolle spielen. Auf der anderen Seite kann diese Auflistung nicht vollständig sein, sondern benennt drei wichtige Einzelaspekte:

1. Bürgschaften und weitere privat gegebene Sicherheiten

An erster Stelle und für niemanden überraschend ist der Aspekt zu benennen, dass im Falle einer Insolvenz die Gläubiger ihre Befriedigung durch Inanspruchnahme der Sicherheiten suchen werden. Hierbei an erster Stelle zu benennen sind die Banken. Die Kreditinstitute sind dabei frei in der Wahl, welche Sicherheiten sie in welcher Reihenfolge und welcher Höhe ziehen. Einzustellen in die Liste der finanziellen Verpflichtungen ist daher – unabhängig von der Frage, ob man als Geschäftsführer und/oder Gesellschafter fungiert – diese Verpflichtung aus privat gegebenen Sicherheiten.

2. Die Anfechtung nach § 135 InsO: ein wesentlicher Aspekt bei der Auflistung der Zahlungspflichten

Es gibt zwei Tatbestände, die durch den § 135 InsO zu einer Zahlungspflicht für den geschäftsführenden Gesellschafter einer GmbH führen. Diese Zahlungspflichten gelten nicht für Beteiligungen von 10 % oder weniger am Haftkapital. Zumeist spielt diese Grenze keine Rolle, da die Beteiligungsquoten höher liegen.

a) Rückführung von Gesellschafterdarlehen

Jede Rückzahlung auf Gesellschafterdarlehen – sei es Tilgung oder Zinszahlung –, die im Zeitraum von einem Jahr vor dem Insolvenzantrag durch die Firma (nachfolgend Insolvenzschuldnerin) an den Gesellschafter erfolgt, wird der Insolvenzverwalter zurückfordern. Das gefährliche an dieser Norm ist, dass sie auf einen Zeitraum von einem Jahr vor dem Insolvenzantrag abstellt und damit die Frage, wie es der späteren insolventen Firma zwölf Monate vor dem Insolvenzantrag wirtschaftlich ging, ohne jedwede Relevanz ist. Selbst wenn durch den Umstand, dass das Geschäftsgebäude sechs Monate vor dem Insolvenzantrag abgebrannt ist, die wirtschaftliche Krise ausgelöst wurde, können die Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen bis zu einem Zeitraum von zwölf Monaten angefochten und damit an die Insolvenzmasse gefordert werden.

Damit gelten zwei Faustformeln:

  • Gesellschafterdarlehen sind ein risikoreiches Finanzierungsinstrument für die Gesellschafter und sollten daher nach Möglichkeit vermieden werden,
  • wobei besonders vermieden werden sollte, kurzfristig Gesellschafterdarlehen zu gewähren und sich dann wieder zurückzahlen zu lassen. Aufgrund dessen kann es in dem Zeitraum von zwölf Monaten zu mehreren Tatbeständen der Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen kommen und damit die Zahlungspflicht im Falle der Insolvenz erheblich erhöht werden.

b) Gesellschafter gewähren eine Sicherheit für Bankdarlehen der GmbH

Die Forderung der Banken auf Erhalt von Sicherheiten nicht nur von der Firma, sondern aus dem Gesellschafterkreis, ist bekannt und üblich. „Wenn Sie hinter der Firma und Ihren Planungen stehen, werden Sie sicherlich kein Problem haben, hierfür auch private Sicherheiten zu gewähren. Ansonsten können wir nicht glaubhaft annehmen, dass Sie sich mit Ihrer Firma indentifizieren.“ Aus Sicht der Bank ist dies eine zumindest nachvollziehbare Denkweise.

Für den geschäftsführenden Gesellschafter ist eine dieser Aufforderung nachkommende Sicherheitenstellung im Falle der Insolvenz mit einem hohen finanziellen Risiko verbunden.

Ein praktischer Fall als Beispiel hierfür: Die Bank stellt einen Kontokorrentkredit an eine GmbH in Höhe von 100.000,00 € zur Verfügung. Abgesichert wird dieser Kontokorrentkredit durch eine Sicherungsabtretung (Globalzession) aller Forderungen der GmbH und zugleich durch eine Bürgschaft des geschäftsführenden Gesellschafters in Höhe von 100.000,00 €. Fällt die GmbH in die Insolvenz, kündigt die Bank den Kontokorrentkredit und wird zugleich beim Insolvenzverwalter ihre Absonderungsrechte am Forderungsbestand (d.h. aus der Globalzession) geltend machen und den Gesellschafter aus der Bürgschaft in Anspruch nehmen. Fließen aus dem Forderungseingang nach der Insolvenzeröffnung und im letzten Jahr vor der Insolvenzeröffnung 60.000,00 € an die Bank (infolge der Globalzession), so hat sich die Bürgschaftsverpflichtung des geschäftsführenden Gesellschafters um 60.000,00 € verringert.

Damit wird die Bank diesen Bürgen nur noch in Höhe von 40.000,00 € in Anspruch nehmen. Wenn der bürgende geschäftsführende Gesellschafter sich nunmehr freut, dass er keine private Zahlungsverpflichtung mehr über 60.000,00 € hat, so irrt er.

Aufgrund der Regelung in § 135 Abs. 2 InsO wird er vom Insolvenzverwalter in Höhe von 60.000,00 € zur Zahlung in Anspruch genommen werden. Denn er hat entsprechend dem Regelungsgehalt von § 135 Abs. 2 InsO

  • einem Dritten (hier einer Bank) eine Sicherheit gewährt,
  • wobei die Bank aufgrund dessen der Insolvenzschuldnerin (der GmbH) einen Kredit gewährt hat
  • und dieser Kredit ist aus Firmenvermögen (hier dem Forderungsbestand) zurückgeführt worden und hat zu einer Verringerung der Zahlungsverpflichtung des Gesellschafters aus der Bürgschaft geführt.

Dies ist der Tatbestand, der zu einer Zahlungspflicht des geschäftsführenden Gesellschafters einer GmbH führt, der zugleich für Firmenkredite private Sicherheiten gegeben hat.

Was kann man daraus für eine Handlungsmaxime ziehen? Die Hoffnung, durch parallel gegebene Firmen Sicherheiten aus der privaten Sicherheit frei zu werden, ist ein Trugschluss. Die einzige diese Zahlungspflicht nach § 135 Abs. 2 InsO vermeidende Handlungsmöglichkeit ist es, in Kreditverhandlungen mit Banken Letzteren anzubieten, anstelle des Konglomerates von privaten- und Firmensicherheiten eher mehr Firmensicherheiten zu geben, um keine Privatsicherheiten zu geben. Dass das schwierig ist, dürfte unbestritten sein. Es ist jedoch die einzige Möglichkeit, die vorgenannte Anfechtungsmöglichkeit und damit Zahlung im Falle einer Insolvenz zu vermeiden.

Liquidation kann günstiger sein

Wenn Sie als geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH diesen „Kassensturz für den Fall eines Insolvenzantrages“ machen, so sind Sie in Ihrer Erkenntnis bereits einen Schritt weiter. Sodann ist diese Berechnung auch für den Fall der Liquidation vorzunehmen. Wie bereits vorstehend erwähnt, sind bei der Liquidation die Zahlungspflichten bis zum Auslauf der Kündigungsfristen der Dauerschuldverhältnisse zu berücksichtigen. Dies löst bei einer Liquidation erhebliche Kosten aus. Auf der anderen Seite gibt es bei einer Liquidation aber nicht die Anfechtung nach § 135 InsO. Eine wesentliche Ursache für Zahlungspflichten aus dem Gesellschafterkreis fällt damit bei einer Liquidation weg.

Dies kann eine Liquidation im Vergleich zu einer Insolvenz für die Gesellschafterseite finanziell günstiger machen.

Wenn Sie weitere Fragen zu diesem Thema haben, melden sich gerne unter lange@daniel-hagelskamp.de oder telefonisch über meine Mitarbeiterin, Frau Kalem, unter der Tel.-Nr. 0241/4194621–138.


Carsten Lange
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Insolvenzverwalter
Mediator/ Wirtschaftmediator (DAA)