Liquiditätsplanung für eine insolvenzrechtliche Eigenverwaltung

Vieles wird immer detaillierter und umfangreicher geregelt. Dies gilt auch für die Voraussetzungen, die ein Antrag auf insolvenzrechtliche Eigenverwaltung erfüllen muss. Diese sind geregelt in § 270a InsO und für Anträge auf Eigenverwaltung seit dem 01.01.2022 zwingende Voraussetzung.

Für alle Dinge, die komplizierter werden, gilt es im ersten Schritt das grobe Ziel im Auge zu behalten und sich damit auf das Wesentliche zu beschränken, um festzustellen, ob und unter welchen Voraussetzungen dieses Ziel denn überhaupt erreichbar ist.

Das Kernelement der einzureichenden Unterlagen im Zuge eines Antrages auf Eigenverwaltung ist nach § 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO „ein Finanzplan, der den Zeitraum von sechs Monaten abdeckt und eine fundierte Darstellung der Finanzierungsquellen enthält, durch welche die Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes und die Deckung der Kosten des Verfahrens in diesem Zeitraum sichergestellt werden soll“. Soweit der Wortlaut des Gesetzes hierzu.

Ich möchte Ihnen mit den nachfolgenden Ausführungen auf das Wesentliche beschränkt darstellen, worin sich diese Planrechnung für einen Antrag auf insolvenzrechtliche Eigenverwaltung von der üblichen Planrechnung aus der Zeit ohne Insolvenzantrag und Insolvenzverfahren unterscheidet.

Damit erhalten Sie unter Berücksichtigung dieser Aspekte am Ende der vorgenommenen Planung einen ersten Eindruck, wo das Unternehmen denn im Hinblick auf seine Liquidität zukünftig steht. Bevor Sie weiter ins Detail gehen, gibt es damit einen ersten Anhaltspunkt, ob der angedachte Weg umsetzbar ist bzw. welche Änderungen und Ergänzungen noch vorzunehmen sind.

Das Ziel, das der Gesetzgeber mit dieser Regelung verfolgt ist letztendlich identisch mit den Interessen des vorläufigen Sachwalters und des insolventen Unternehmens und den Gläubigern: Es soll sichergestellt sein, dass in den drei Monaten vor einer Insolvenzeröffnung und den drei Monaten nach einer Insolvenzeröffnung ausreichend Liquidität vorhanden ist, dass der Geschäftsbetrieb in einem Insolvenzverfahren aufrechterhalten werden kann. Diese Liquiditätsplanung musste auch schon vor dieser gesetzlichen Regelung durchgeführt werden. Sie war bloß kein notwendiger Bestandteil der Unterlagen, die mit einem Insolvenzantrag einzureichen sind.

Wie diese Liquiditätsplanung zu erstellen ist und damit welche insolvenzrechtlichen Besonderheiten sie aufweist, möchte ich Ihnen nachfolgend in Eckpunkten darstellen. Ich gehe dabei nicht ins Detail, sondern möchte Sie in die Lage versetzen, einen ersten Anhaltspunkt zu haben, um zu wissen wo Sie im Hinblick auf die Liquidität im Zuge einer angedachten Insolvenz stehen.

I. Ausgangspunkt

Ausgangspunkt ist dabei Ihre Liquiditätsplanung, die Sie für das Unternehmen erstellen und in der jeweilig die fälligen Zahlungsausgänge und die zu erwartenden Zahlungseingänge in tabellarischer Form gegenübergestellt werden. Wenn es an dieser Stelle noch Korrekturen und Ergänzungen bzw. Aktualisierungen bedarf, so sind diese im ersten Schritt vorzunehmen. Denn die Grundlage, auf der gearbeitet werden soll, soll ja zutreffend sein.

II. Zeitliche Planung

Es ist eine zeitliche Planung vorzunehmen. Zu welchem Zeitpunkt soll der Insolvenzantrag gestellt werden? Bei einem laufenden Geschäftsbetrieb ist ab diesem Zeitpunkt mit Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichtes und damit die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters zu rechnen.

Dieser Zeitpunkt ist der Beginn der zeitlichen Liquiditätsplanung von sechs Monaten im Sinne von § 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO. Aus Gründen der Vereinfachung sollten Sie hierzu den ersten eines Monates wählen.

III. Insolvenzbedingte Änderungen

In diese bestehende Liquiditätsplanung sind nunmehr die insolvenzbedingten Folgen, die sich für die Liquiditätslage ergeben, einzuarbeiten:

1. unbezahlte Eingangsrechnungen zum Stichtag des Insolvenzantrages

a. Grundsatz

Die Gläubiger mit Rechnungen, die zum Zeitpunkt des Insolvenzantrages unbezahlt sind, werden nicht mehr bezahlt. Bei ihnen handelt es sich um Insolvenzgläubiger, die nach Insolvenzeröffnung Ihre Forderung zur Insolvenztabelle anmelden können. Dies hat zwei Folgen:

  • Alle diese geplanten Zahlungsausgänge auf diese vorerwähnten Rechnungen sind aus der Liquiditätsplanung zu streichen;
  • und sie sind in eine separate Auflistung der unbezahlt gebliebenen Vertragspartner aufzunehmen, damit sie Bestandteil der vollständigen Erfassung der Insolvenzgläubiger werden.

b. Berücksichtigung von Sicherungsrechten

Es gibt keinen Grundsatz ohne eine Ausnahme. Diese Ausnahme kann für die vorgenannten Gläubiger vorliegen, die Sicherungsrechte haben. Dieses Thema wird an dieser Stelle bewußt nicht detailliert erläutert. Es soll damit in einem 1. Schritt ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass dieser Aspekt Bestandteil der Liquiditätsplanung ist. Später in einem zweiten Schritt ist hierzu dann eine detailliertere Ergänzung der Liquiditätsplanung vorzunehmen. An dieser Stelle soll es bei der grundsätzlichen Berücksichtigung folgender Aspekte bleiben:

  • Es gibt Gläubiger mit Sicherungsrechten.
  • Diese Sicherungsrechte können umfassen:
  1. Aufgrund eines vereinbarten Eigentumsvorbehalts ein Anspruch auf Herausgabe von Ware;
  2. mit einer Sicherungsübereignung von Gegenständen, z.B. dem Warenbestand, ein sogenanntes Absonderungsrecht und damit einen Anspruch auf Erhalt von 91 % des Bruttobetrages aus einer Verwertung dieser Gegenstände;
  3. mit einem verlängerten Eigentumsvorbehalt oder einer Sicherungsabtretung einen Anspruch auf Absonderung und damit Erhalt des Erlöses aus dem Forderungseinzug in der vorerwähnten Größenordnung;
  4. sowie das Vermieterpfandrecht an den Gegenständen, die im Eigentum des Mieters stehen und sich im jeweiligen Mietobjekt befinden.
  • Ohne an dieser Stelle ins Detail gehen zu wollen, gilt für die Liquiditätsplanung an dieser Stelle folgendes: Jeder Gläubiger, der Inhaber von Sicherungsrechten ist, hat seinen Erlösanteil aus der Verwertung der Sicherungsgüter zu erhalten. Dies ist entweder der Anteil am Forderungseinzug oder bei einem einfachen Eigentumsvorbehalt die Herausgabe der unbezahlten Lieferung oder alternativ die Zahlung des Bruttoeinkaufspreises, zu dem geliefert wurde und der bisher unbezahlt geblieben ist.
  • Über einen Eingriff in derartige Sicherungsrechte ist mit dem jeweiligen Sicherungsgläubiger eine Vereinbarung zu treffen. Die daraus resultierenden Zahlungen auf die Sicherungsrechte sind in die Liquiditätsplanung aufzunehmen: Bei Verwendung/Entnahme von Sicherungsgut mit diesem Zeitpunkt der Verwendung/Entnahme und beim Einzug von Forderungen, hinsichtlich derer ein Sicherungsrecht besteht, mit dem Zeitpunkt ihres Zahlungseinganges.

2. Kreditlinien

Bisher dem Unternehmen gewährte Kreditlinien werden mit dem Insolvenzantrag gekündigt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt war die nicht in Anspruch genommene Kreditlinie Bestandteil der offenen zur Verfügung stehenden Liquidität. Dies ist ab dem Zeitpunkt des Insolvenzantrages nicht mehr der Fall. Diese bisher vorhandene Liquiditätsquelle ist demzufolge ab dem Zeitpunkt des Insolvenzantrages zu streichen.

3. Personalkosten

a. Insolvenzgeld

Die Arbeitnehmer haben einen Anspruch, dass sie für max. drei Monate vor dem Insolvenzereignis Insolvenzgeld erhalten, wenn sie in diesem Zeitraum ihren Arbeitslohn nicht vom Arbeitgeber ausbezahlt bekommen haben. Soweit Arbeitsverhältnisse bereits beendet sind, umfasst dieser Zeitraum von max. drei Monaten die letzten drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Anstelle der Mitarbeiter tritt die Agentur für Arbeit als Gläubigerin des Unternehmens. Sie ist dabei eine Insolvenzgläubigerin. Dies wiederum hat zur Folge: Für den Insolvenzgeldzeitraum sind die Personalkosten aus der Liquiditätsplanung zu streichen.

b. Einkommensteuer

Gleiches gilt für die Einkommensteuer, da gemäß § 3 EStG Insolvenzgeldzahlungen steuerfrei sind.

c. Kosten der Insolvenzgeldvorfinanzierung

In den Fällen eines fortgeführten Geschäftsbetriebes ist es zumeist nicht möglich, dass die Mitarbeiter bis zur Auszahlung des Insolvenzgeldes (nach der Insolvenzeröffnung) warten können. In diesen Fällen wird das Insolvenzgeld vorfinanziert. Dies hat für die Liquiditätslage zur Folge, dass die Kosten der Vorfinanzierung zu den jeweiligen Fälligkeitsdaten einzustellen sind.

4. Umsatzsteuer

Zur Umsatzsteuer ist die gesetzliche Regelung in § 55 Abs. 4 InsO zu berücksichtigen. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten Umsatzsteuerverbindlichkeiten, die vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters bestellt worden sind, als Masseverbindlichkeiten. Dies bedeutet, dass in die Liquiditätsplanung in dem Monat der Insolvenzeröffnung die Mehrwertsteuerverpflichtung aus dem Zeitraum der Bestellung des vorläufigen Sachwalters als zu zahlende Masseverbindlichkeit einzustellen ist.

5. Das Datum der Insolvenzeröffnung

Der Tag der Insolvenzeröffnung ist der Scheidepunkt in der Liquiditätsplanung. Denn ab diesem Zeitpunkt

  • gibt es kein Insolvenzgeld mehr;
  • und es sind letztendlich alle Verbindlichkeiten, die ab diesem Zeitpunkt entstehen, als Masseverpflichtungen zu zahlen.

Wann ist dieser Tag der Insolvenzeröffnung in der Planrechnung? Der Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung wird der Zeitraum sein, in dem das Unternehmen Insolvenzgeld erhält. Die Dauer des Insolvenzantragsverfahrens (also zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung) beläuft sich auf die maximalen drei Monate des Insolvenzgeldzeitraums. Sollte die Lohnzahlung zum Zeitpunkt des Antrages bereits einen Monat rückständig sein, so werden aus maximal drei Monaten nunmehr tatsächliche zwei Monate bis zum Insolvenzantrag und damit für das Insolvenzeröffnungsverfahren. Infolgedessen beläuft sich dann bei einer notwendigen Planungszeit von sechs Monaten der Zeitraum für die verbleibende Zeit nach dem Insolvenzantrag auf vier Monate.

6. Sanierungsmaßnahmen nach einer Insolvenzeröffnung

In dem beabsichtigten Insolvenzverfahren können die vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen unter anderem wie folgt rechtlich umgesetzt werden:

a. Beendigung von Arbeitsverhältnissen

Im eröffneten Insolvenzverfahren gibt es in § 113 InsO eine Sonderregelung für Kündigungsfristen von Arbeitsverhältnissen. Danach beträgt die Kündigungsfrist drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Zeit maßgeblich ist. Zu beachten ist, dass alle übrigen Kündigungs- und Kündigungsschutzvorschriften auch im Insolvenzverfahren zu berücksichtigen sind.

Soweit im Zuge eines Personalabbaus in dem vorgenannten Rahmen Arbeitsverhältnisse beendet werden, sind die entsprechenden Positionen in der Liquiditätsplanung anzupassen.

b. Kündigung von Raummietverträgen

Mietverhältnisse über Räume können gemäß § 109 InsO mit einer maximalen Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende nach Insolvenzeröffnung gekündigt werden, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Auch diesbezüglich ist die Zahlungsposition des Mietzinses entsprechend diesen Kündigungen in der Liquiditätsplanung anzupassen.

c. Ablehnung von Leasingverträgen

Hinsichtlich von Leasingverträgen kann gemäß § 103 InsO die sogenannte Ablehnung der Erfüllung nach einer Insolvenzeröffnung erfolgen. Damit endet die Zahlungspflicht aus dem Leasingvertrag und es kann ein daraus resultierender Schadensersatz von der Leasinggesellschaft als Insolvenzforderung geltend gemacht und damit zur Tabelle angemeldet werden. Diese hieraus resultierende verkürzte Dauer von zu zahlenden Leasingraten ist in der Liquiditätsplanung sodann zu berücksichtigen.

d. Defizitäre Auftragsverhältnisse

Letztendlich werden im Zuge von Sanierungsüberlegungen die bestehenden Aufträge auf den Prüfstand gestellt. Soweit sie noch nicht begonnen oder noch nicht fertiggestellt sind und die Kalkulation zu einem negativen Ergebnis führt, kann nach der Insolvenzeröffnung die Erfüllung abgelehnt werden. Dementsprechend sind die mit dem jeweiligen Auftrag/Projekt verbundenen Ein- und Auszahlungen aus der Liquiditätsplanung herauszunehmen.

Parallel hierzu kann mit dem jeweiligen Kunden unter dem Druck dieser drohenden Auftragsbeendigung nachverhandelt werden. Auch diese Ergebnisse sind dann in die Planrechnung zu übernehmen.

7. Fehlende Kreditwürdigkeit

Eine Folge des Insolvenzantrages ist die ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich bestehende negative Kreditwürdigkeit. Die Leistungen zugunsten der Unternehmung werden nur noch Zug um Zug oder gegen Vorkasse erfolgen. Dies führt zu einer Liquiditätsbelastung, die mit vorgenannten zu erwartenden Fälligkeitszeitpunkten für die Ausgangszahlungen in die Liquiditätsplanung aufzunehmen ist.

8. Beraterkosten

Das Eigenverwaltungsverfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass vom schuldnerischen Unternehmen selbst insolvenzrechtliche Pflichten und Aufgaben übernommen werden. Dies macht die entsprechende insolvenzrechtliche Beratung und Begleitung des Unternehmens vor und nach dem Insolvenzantrag erforderlich und führt zu damit verbundenen Beratungskosten. Auch diese sind in die Liquiditätsplanung einzustellen.

Zu diesem Thema bedarf es dann parallel einer Darstellung der Verfahrenskostensituation in einem Vergleich zwischen Eigenverwaltung und Regelinsolvenzverfahren. Im Ergebnis soll den Gläubigern durch die Wahl der Verfahrensart kein wirtschaftlicher Nachteil in Form einer geringeren Quote am Ende des Verfahrens aufgrund erhöhter Verfahrenskosten der gewählten Verfahrensart entstehen.

IV. Weitere Umsetzung

Sind diese vorgenannten Aspekte alle in die Liquiditätsplanung eingepflegt, so ist eine erste Grundlage für eine Einschätzung vorhanden, inwieweit die beabsichtigten Maßnahmen und Schritte und damit im Ergebnis das Eigenverwaltungsverfahren in den ersten sechs Monaten nach dem Antrag finanzierbar ist. Im Weiteren folgt hieraus:

  • Eine Änderung oder Ergänzung, soweit das Ergebnis nicht umsetzbar ist oder eine Liquiditätslücke nicht geschlossen werden kann;
  • Eine Detaillierung und Konkretisierung an den notwendigen Stellen;
  • Die über die sechs Monate hinausgehende Liquiditätsplanung für ein gesamtes Jahr;
  • unter Einbezug der Maßnahmen, die für die letztendliche Sanierung in Form eines Insolvenzplanes oder einer übertragenden Sanierung notwendig sind.

Aus dieser Planrechnung nach § 270 a Abs. 1 InsO und dort der Nr. 1 ergeben sich dann die weiteren Informationen und Unterlagen, die dem Insolvenzgericht mit einem Antrag auf Eigenverwaltung vorzulegen sind.

Sie sind im Ergebnis ein Resultat der Erstellung dieser Planung., denn zu erläutern sind die Ursachen der Krise und das zu erreichende Ziel sowie der Stand der Verhandlungen mit Gläubigern. All dies sind letztendlich Aspekte, die sich aus dem ergeben, was gedankliche Grundlagen für die Planrechnung sind.

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Darstellung eine Hilfestellung und Erläuterung dafür zu geben, um mit ersten Planungsschritten für eine ins Auge gefasste Eigenverwaltung beginnen zu können. Soweit diesbezüglich Fragen bestehen, melden Sie sich gerne bei mir unter meiner E-Mail-Adresse lange@dhk-law.com oder telefonisch über meine Mitarbeiterin Frau Koll unter der Telefonnummer 0241-94621-138.

Ihr Carsten Lange
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Wirtschaftsmediator (DAA), Coach.

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