Insolvenz des Bauträgers: Was passiert mit den Forderungen des Subunternehmers?

Fällt ein Bauträger in die Insolvenz, stellt die offene Forderung seines Subunternehmers eine Insolvenzforderung dar, die im Insolvenzverfahren zur Insolvenztabelle angemeldet werden kann. Das alleine wird bereits zu einem wirtschaftlichen Schaden in Form des Forderungsausfalls beim Subunternehmer führen. Dieser Schaden kann sich dann noch weiter vergrößern, wenn der Insolvenzverwalter des Bauträgers Gewährleistungs- oder Schadensersatzansprüche gegenüber dem Subunternehmer – trotz nicht bezahlter Rechnungen – geltend macht.

Urteil des BGH vom 19.11.2015

Zu dieser Konstellation hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 19.11.2015 (Az. IX ZR 198/14) für Subunternehmer einen Ausweg im Hinblick auf ihnen gegenüber geltend gemachte Schadensersatzansprüche dargelegt.

Der Sachverhalt, der dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrunde lag, war sehr praxisnah und wird kurz wie folgt beschrieben:

Ein Bauträger fiel in die Insolvenz. Die Subunternehmerin hatte aus der Schlussrechnung noch offene Werklohnansprüche. Diese meldete sie zur Insolvenztabelle an und nach erstem Bestreiten stellte der Insolvenzverwalter diese Forderungen zur Tabelle fest.

Der Insolvenzverwalter verklagte erfolglos die Auftraggeberin der insolventen Bauträgergesellschaft auf einen noch offenen restlichen Werklohn. Gegen diese klageweise Inanspruchnahme wehrte sich die Bauherrin (Vertragspartner des insolventen Bauträgers) mit dem Argument, die Arbeiten der Subunternehmerin – hier Erstellung eines Industriefußbodens – seien mangelhaft gewesen. Dieses Klageverfahren zwischen Insolvenzverwalter (für den insolventen Bauträger) und der Bauherrin endete mit einem Vergleich, wonach die Bauherrin keine Zahlungen mehr zu erbringen hatte, aber auch keine Ansprüche wegen der Mängel am Fußboden zur Tabelle anmelden durfte.

Zeitlich nach diesem Vergleichsabschluss machte der Insolvenzverwalter (für die insolvente Bauträgerin) nunmehr gegen die Subunternehmerin einen Schadensersatzanspruch in Höhe des ihm entgangenen Werklohnes geltend.

Der Bundesgerichtshof hat diesen Schadensersatzanspruch unter Anwendung der Regelung des § 103 InsO verneint.

Was ist in § 103 InsO geregelt? Dem Insolvenzverwalter wird in dieser Rechtsnorm ein sog. Wahlrecht zur Vertragserfüllung zugestanden. Die gesetzliche Regelung in § 103 Abs. 1 InsO lautet wie folgt:

„Ist ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, so kann der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen.“

Bei vertraglichen Beziehungen, die auf beiden Seiten nicht erfüllt sind, wird dem Insolvenzverwalter also die wirtschaftliche Wahl gelassen, die Erfüllung dieses Vertrages nur in den Fällen wählen zu müssen, in denen diese Wahl der Erfüllung für die Insolvenzmasse wirtschaftlich vorteilhaft ist. Ein praktisches Beispiel hierfür sind Kaufverträge unter Eigentumsvorbehalt. Wenn die insolvente Firma einen Gegenstand gekauft hat, den sie aber bisher nicht vollständig bezahlt hat, hat keine der beiden Seiten den Kaufvertrag erfüllt. Der Verkäufer hat das Eigentum nicht übertragen und der insolvente Käufer hat nicht vollständig bezahlt.

Ein Insolvenzverwalter wird nunmehr abwägen, ob er den restlichen Kaufpreis zahlt (also die Erfüllung wählt), um das Eigentum an dem Kaufgegenstand zu erhalten. Diese Erfüllungswahl ist immer dann für die Insolvenzmasse wirtschaftlich günstig, wenn der finanzielle Einsatz in Form der zu leistenden Restzahlung kleiner ist, als der Wert des wirtschaftlichen Gutes, den die Insolvenzmasse hiermit erhält.

Die wirtschaftliche Folge einer Wahl der Erfüllung durch den Insolvenzverwalter ist also, dass er die restliche Forderung des Vertragspartners als sogenannte Masseverbindlichkeit auch vollständig bezahlen muss – um die Gegenleistung vollständig zu erhalten.

Diese rechtliche Bewertung wendet der Bundesgerichtshof auf den vorliegenden Sachverhalt und damit die Vertragsbeziehung zwischen Bauträger und Subunternehmer an. Er kommt zu dem Ergebnis, dass dieser Vertrag zwischen Subunternehmer und insolventem Bauträger auf Erstellung eines Industriefußbodens von keiner der beiden Vertragsparteien bisher vollständig erfüllt sei. Die Subunternehmerin habe ihre Leistungen nicht vollständig erbracht, weil noch Mängel vorhanden seien. Der Bauträger habe bisher nicht vollständig gezahlt. Die Feststellung zur Tabelle sei keine Erfüllung.

Lehnt ein Insolvenzverwalter die Erfüllung ab, bleibt der Vertrag in der Lage bestehen, in welcher er sich bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens befand. Der klagende Insolvenzverwalter hätte, um den Anspruch auf Schadensersatz aus dem Bauvertrag gegen die Subunternehmerin geltend zu machen, Erfüllung des Vertrages wählen müssen. Dann hätte er anstelle der Erfüllung in Form der Nachbesserung den an diese Stelle tretenden Anspruch auf Schadensersatz geltend machen können.

Die Folge des Erfüllungsverlangens wäre dann gewesen, dass der Insolvenzverwalter den Zahlungsanspruch der Subunternehmerin als sogenannte Masseverbindlichkeit hätte begleichen müssen. Indem der Insolvenzverwalter die Werklohnforderung der Subunternehmerin als Insolvenzforderung zur Tabelle festgestellt hat, hat er die Zahlungspflicht verneint und damit zum Ausdruck gebracht, dass er keine Erfüllung dieses beidseitig nichterfüllten Vertrages wählt. Damit ist der Insolvenzverwalter im vorliegenden Fall mit der Geltendmachung eines Nachbesserung-oder Schadensersatzanspruches für die insolvente Bauträgerin ausgeschlossen.

Fazit

Diese Rechtsprechung zeigt für Subunternehmer, die auf Nachbesserung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden, einen Ausweg: Sie können den Insolvenzverwalter des Bauträgers darauf verweisen, dass Sie nur dann zu einer Nachbesserung oder einem Schadensersatz (anstelle der Erfüllung) verpflichtet sind, wenn der Insolvenzverwalter seinerseits die Erfüllung des Vertrages wählt und damit im ersten Schritt die Zahlungsforderung des Subunternehmers zu einer Masseforderung wird. Dann ist der Subunternehmer nicht mehr auf die Forderungsanmeldung zur Tabelle und die zu erwartende (zumeist geringe) Quote am Ende des Verfahrens verwiesen sondern hat einen Zahlungsanspruch hinsichtlich des restlichen Werklohnes als Masseanspruch gegenüber der Insolvenzmasse.

Voraussetzung für diesen Ausweg aus der Situation, nachbessern zu müssen, ohne den Werklohn ausgezahlt zu erhalten, ist aber dass beide Seiten – Bauträger und Subunternehmer – ihre vertraglichen Pflichten nicht vollständig erfüllt haben d.h. ein beidseitig nicht erfüllter Werkvertrag im Sinne von § 103 InsO vorliegt

Sollten Sie weitere Fragen zu Themenbereichen haben, die mit insolvenzrechtlichen Fragestellungen verbunden sind, wenden Sie sich gerne an mich unter der E-Mail-Adresse lange@daniel-hagelskamp.de oder über meine Mitarbeiterin Frau Kalem unter der Telefonnummer 0241/94621-138.

Carsten Lange
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Insolvenzverwalter
Mediator/ Wirtschaftmediator (DAA)