Schadensersatz eines GmbH-Geschäftsführers wegen verspäteter Stellung eines Insolvenzantrages: Ein Lichtblick für Gläubiger

Einen Lichtblick für Gläubiger bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegenüber GmbH-Geschäftsführern, die den Insolvenzantrag verspätet gestellt haben, zeigt ein Urteil des OLG Karlsruhe vom 09.09.2020 (Az. 6 U 109/19 -ZInsO 2020, 2212 ff.)

I. Wie kann es einfach sein, diesen Anspruch als Gläubiger einer GmbH gegenüber dem Geschäftsführer erfolgreich zu begründen?

Die Situation, die das OLG Karlsruhe entschieden hat, ist wie folgt kurz zusammenzufassen: Der Kläger beauftragte eine GmbH im Januar 2015 mit der Durchführung von Fassadenarbeiten. Nach ergebnisloser Fristsetzung zur Mängelbeseitigung kündigte der Kläger den Vertrag und beantragte im August 2016 ein selbstständiges Beweisverfahren. Nach einem Eigenantrag im Dezember 2016 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH im März 2017 eröffnet. Gegen den Beklagten (Geschäftsführer der GmbH) erging ein Strafbefehl wegen Insolvenzverschleppung, da die GmbH spätestens seit Dezember 2015 zahlungsunfähig gewesen sei.

Der Kläger verlangt mit der Klage vom beklagten Geschäftsführer die Erstattung der Kosten, die ihm im Zuge des selbstständigen Beweisverfahrens entstanden sind und damit für Gericht, Sachverständigen und Rechtsanwalt. Er begründet diese Klage damit, dass er bei Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der GmbH das selbstständige Beweisverfahren nicht durchgeführt hätte und ihm damit diese Kosten im Falle einer pflichtgemäßen rechtzeitigen Insolvenzantragstellung und damit im Dezember 2015 nicht entstanden wären.

Das OLG Karlsruhe hat den geltend gemachten Anspruch bejaht. Es hat dies unter anderem damit begründet, dass die Insolvenzantragspflicht den Vertragspartner einer GmbH auch davor schützen soll, dass er sich durch die Prozessführung mit der unerkannt insolvenzreifen GmbH mit Kosten belastet, die er bei der Gesellschaft als Kostenschuldnerin nicht mehr realisieren kann.

II. Warum das rechtliche Umfeld zur Frage dieser Haftung des GmbH-Geschäftsführers wegen nicht rechtzeitiger Stellung eines Insolvenzantrages so schwierig und damit die vorerwähnte Begründung des OLG Karlsruhe keine Selbstverständlichkeit ist, möchte ich Ihnen nachfolgend darstellen.

Lesen Sie also gerne weiter, um den Gesamtzusammenhang zu erfahren:

Die Rechtsprechung unterscheidet in diesen Fallkonstellationen zwischen Altgläubigern und Neugläubigern.

1. Altgläubiger sind diejenigen, die gegenüber der GmbH bereits vor Eintritt von deren Insolvenzreife (und damit der Verpflichtung des Geschäftsführers zur Stellung des Insolvenzantrages) einen Anspruch hatten und damit mit dieser Firma in der Regel bereits zu diesem Zeitpunkt in einer vertraglichen Beziehung standen.

Diese Altgläubiger unterliegen zweierlei Einschränkungen: Zum einen erhalten Sie nur einen Quotenschaden, der dadurch entsteht, dass der Insolvenzantrag zu spät gestellt wurde und damit in geringerem Umfange Vermögenswerte/eine Insolvenzmasse vorhanden war. Dieser Quotenschaden ermittelt sich letztendlich aus der Differenz zwischen der tatsächlich gezahlten Insolvenzquote und derjenigen, die angefallen wäre, wenn der Eröffnungsantrag vom Geschäftsführer pflichtgemäß und rechtzeitig gestellt worden wäre.

Um den Schaden beziffern zu können, muss der Kläger also eine hypothetische Darlegung und Berechnung der wirtschaftlichen Situation vornehmen, wie sie sich in der Firma dargestellt hätte, wenn der Insolvenzantrag zu einem früheren Zeitpunkt vorgenommen wäre. Und diese hypothetische Berechnung kann der Beklagte bestreiten und sodann erfolgen Beweisaufnahmen inklusiv von Sachverständigengutachten und wie Sie sich an dieser Stelle weiter vorstellen können: Diese Sachverständigengutachten und damit die Kosten eines derartigen Klageverfahrens sind hoch. Und die Frage nach der Höhe der letztendlich stattgegebenen Klage und der Wahrscheinlichkeit der wirtschaftlichen Durchsetzung, gegenüber dem Geschäftsführer zumindest nicht mit der notwendigen Sicherheit zu bejahen.

Infolgedessen ist dieser Weg zur Durchsetzung eines Quotenschadens bereits aus den vorgenannten Gründen ein sehr steiniger. Daher wird er in der überwiegenden Anzahl der Fälle letztendlich nicht begangen. Die weitere Einschränkung für den Gläubiger einer insolventen GmbH besteht darin, dass im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dieser sogenannte Quotenschaden der Altgläubiger durch den Insolvenzverwalter durchzusetzen ist.

2. Und dann gibt es neben diesen soeben beschriebenen Altgläubigern noch die Neugläubiger. Neugläubiger sind diejenigen, die mit der GmbH in eine geschäftliche Beziehung und damit in der Regel in einen Vertrag eingetreten sind, als die Gesellschaft bereits insolvenzreif war. Sie sind also sozusagen nach Insolvenzeintritt die neuen Gläubiger.

Sie können ihren Anspruch auch bei eröffnetem Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH gegenüber dem Geschäftsführer selbst durchsetzen. Dies ist nicht Aufgabe des Insolvenzverwalters. Der Geschäftsführer haftet diesen Neugläubigern, weil sie, wenn er rechtzeitig den Insolvenzantrag gestellt hätte, mit der Gesellschaft keinen Vertrag mehr abgeschlossen hätten.

Infolgedessen sind diese Neugläubiger im Zuge eines sogenannten Vertrauensschadens so zu stellen, wie sie stehen würden, wenn sie mit der Gesellschaft keinen Vertrag abgeschlossen hätten. Und auch an dieser Stelle gibt es nunmehr eine Krux in der Schadensberechnung: Dieser Vertrauensschaden liegt nicht einfach in dem Rechnungsbetrag, den diese Neugläubiger von der GmbH nicht erhalten haben.

Sie können nur den Wert der gelieferten Sachen und erbrachten Leistungen fordern und damit ist der im Verkaufspreis steckende Veräußerungsgewinn grundsätzlich nicht hiervon umfasst. Anders wäre die Situation wiederum zu bewerten, wenn der Neugläubiger nur über begrenzte Ressourcen verfügt und statt mit der sich später als insolvent herausstellenden GmbH mit einem Dritten das derartige Geschäft geschlossen hätte und damit den Gewinn erzielt hätte. Für diese Thematik ist der klagende Neugläubiger beweispflichtig.

Verbleibt es beim Grundsatz, dass der Veräußerungsgewinn nicht vom Schaden umfasst ist, enden auch diese Klagen der Neugläubiger letztendlich in einem Wust von Bezifferungen zur Schadenshöhe und damit verbundenen Begutachtungen. Und dies wiederum führt zu einer längeren Prozessdauer und hohen Kosten und damit wiederum zu einer tendenziell geringeren Bereitschaft, sich als Neugläubiger auf derartige Klageverfahren einzulassen.

3. Wie ist es dem OLG Karlsruhe nunmehr möglich gewesen, in diesem Gestrüpp der rechtlichen Differenzierungen zu einer schlanken Begründung der stattgebenden Klage zu gelangen? Wie Sie möglicherweise der Darstellung der zeitlichen Daten entnommen haben: Der Auftrag gegenüber der GmbH erfolgte im Januar 2015 und die Insolvenzreife trat im Dezember 2015 ein. Damit bestand eine vertragliche Beziehung zwischen klagendem Gläubiger und insolventer GmbH bereits vor der Insolvenzreife. Demnach handelte es sich bei dem Kläger um einen sogenannten Altgläubiger. Und dieser ist nur berechtigt, den vorerwähnten Quotenschaden geltend zu machen.

An dieser Stelle nimmt das OLG Karlsruhe eine Ausnahme von der vorerwähnten Differenzierung zwischen Alt- und Neugläubiger und damit zugunsten der Altgläubiger vor. Entscheidend sei, ob der Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht ursächlich für den herbeigeführten Vermögensabfluss nach der Insolvenzreife sei und dieser Vermögensabfluss im Vertrauen auf die Insolvenz herbeigeführt worden sei.

Diesen Umstand bejaht das OLG Karlsruhe für den vorliegenden Sachverhalt, da der Kläger bei Kenntnis der Insolvenzreife der GmbH das selbstständige Beweisverfahren nicht begonnen hätte und ihm demzufolge die hierdurch entstandenen Kosten, die er aufgrund der Insolvenz und damit wirtschaftlichen Lage von der GmbH nicht zurückerhalten kann, nicht entstanden wären. Hinsichtlich dieser Aufwendungen, die er nach Insolvenzreife gemacht hat, wird der Kläger, der ansonsten dem Grunde nach ein Altgläubiger ist, als Neugläubiger behandelt. Diese Begründung führt dazu, dass der Kläger seinen Anspruch selbst (und nicht durch den Insolvenzverwalter) durchsetzen konnte und nicht auf den Quotenschaden reduziert wird.

4. Welche Aussagekraft und Bedeutung hat damit dieses Urteil des OLG Karlsruhe?

Für die jeweiligen Schäden, die durch eine verspätete Insolvenzantragstellung entstehen, gilt es jeweils zu überprüfen, ob es mit dieser Richtung der vom OLG Karlsruhe vorgenommenen Begründung für bestimmte Schadenspositionen Ausnahmen davon geben kann, in die Schublade der Altgläubiger gepackt zu werden – und damit seinen Anspruch ausserhalb eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH ggü. dem GmbH-Geschäftsführer selbst durchsetzen zu können. Und die entstandenen Kosten sind dabei ein einfach zu benennender Schaden, weil sich in diesem Zusammenhang die Frage des erzielten Gewinnanteiles nicht stellt.

Wenn Sie hierzu Fragen haben, melden Sie sich gerne bei mir unter: lange@dhk-law.com oder über meine Mitarbeiterin Frau Koll, telefonisch unter 0241 / 94621 – 138.

Ihr Carsten Lange
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenzrecht