BGH: Die Anforderungen an einen Sanierungsplan

I. Frage

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein schlüssiger Sanierungsplan vorliegt,

  • ist sowohl für sanierungsbedürftige Firmen und ihre Berater von Bedeutung, also für diejenigen, die einen Sanierungsplan erstellen möchten
  • und ebenso für deren Gläubiger, denen ein derartiger Plan präsentiert wird und die für den Fall der fehlenden Schlüssigkeit bei späterer Insolvenz die erhaltenen Zahlungen aufgrund einer Anfechtung zurückgewähren müssen.

Dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 12.05.2016 (IX ZR 65/14) lag ein sehr lebensnaher Sachverhalt zu Grunde: Die spätere Insolvenzschuldnerin machte ihren Gläubigern und damit u.a. auch ihrem Spediteur (dem Beklagten) ein Angebot, wie sie saniert werden könne. Über die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft teilte die Schuldnerin mit, ihre Kreditlinien seien eingefroren und zur Vermeidung der Insolvenz sei ein Vergleichsvorschlag erarbeitet worden, wonach die Gläubiger auf 65 % der Forderungen verzichten sollten, davon auf 15 % gegen Besserungsschein. Der Vergleichsvorschlag könne umgesetzt werden, weil von dritter Seite Liquidität zur Verfügung gestellt werde. Voraussetzung sei aber, dass alle Gläubiger dem Vorschlag bedingungslos zustimmen. Anderenfalls sei ein Insolvenzverfahren unabdingbar, das keine Befriedigungsquote erwarten lasse.

Der Inhalt derartiger Angebote an Gläubiger kommt im der Praxis regelmäßig vor: „Wenn alle Gläubiger zustimmen, können wir ihnen eine quotale Zahlung anbieten. Wenn sie sich nicht mit dieser Quote einverstanden erklären, ist ein Insolvenzantrag erforderlich und werden sie gar nichts bekommen.“

Stellt ein derartiger Inhalt ein schlüssiges Sanierungskonzept dar?

Diese Frage hatte der BGH zu beantworten, da der Insolvenzverwalter auf Rückzahlung der Vergleichszahlung im Zuge einer Anfechtung nach § 133 InsO geklagt hatte. Die Zahlung war im März 2007 erfolgt und der Insolvenzantrag datierte aus dem Jahr 2011. Die Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung nach § 133 InsO ist in einem 10-Jahreszeitraum möglich und damit auch bei einem 4-jährigen Zeitablauf, wie in dem vorgenannten Fall.

Voraussetzung für eine Anfechtung nach § 133 InsO ist, dass der Gläubiger (hier die Spedition) von der Zahlungsunfähigkeit ihrer Schuldnerin wusste. Diese Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit ist zu verneinen, wenn die angefochtene Zahlung Bestandteil eines ernsthaften, letztendlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuches ist.

Wann ist ein Sanierungsversuch ernsthaft? Hierzu hat der BGH in der Vergangenheit ausgeführt, dass zu der Zeit der Zahlung ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorgelegen haben muss, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt war und eine ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertige (BGH, Urteil vom 16.10.2008, IX ZR 183/06). Sehr viel konkreter war damit die Antwort in dem vorgenannten Urteil des Bundesgerichtshofes nicht.

Der Mehrwert des hier in Rede stehenden Urteiles vom 12.05.2016 besteht darin, dass es bei der Antwort, wann ein schlüssiges Sanierungskonzept und damit ein ernsthafter Sanierungsversuch vorliegt, wie folgt konkreter wird:

1. Darlegungs- und Beweislast

Ausgangspunkt der Überlegungen des Bundesgerichtshofes ist der Umstand, dass die Beklagte (Spedition) die drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gekannt hat. Diese Erkenntnis ergab sich aus dem Schreiben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, in dem auf die Sperrung der Kreditlinien und die in Kürze zu erwartende Zahlungsunfähigkeit hingewiesen wurde. Dies bewirkt eine Umkehr der Beweislast (infolge der Vermutung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO). Es obliegt damit dem Anfechtungsgegner (Beklagten/Spedition) darzulegen und zu beweisen, dass sie nichts von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners wusste.

2. Keine Überprüfung des Sanierungskonzeptes

Der Gläubiger ist hinsichtlich eines ernsthaften Sanierungsversuches auf die Informationen angewiesen, die ihm der Schuldner zur Verfügung stellt. Dieses Sanierungskonzept des Schuldners muss der Gläubiger gemäß BGH nicht selbst fachmännisch überprüfen oder durch Sachverständige überprüfen lassen. Er darf sich grundsätzlich auf schlüssige Angaben des Schuldners verlassen. Er darf damit den Angaben des Schuldners oder seines Sanierungsberaters vertrauen, solange er keine Anhaltspunkte dafür hat, dass er getäuscht werden soll.

Im vorliegenden Fall waren die Angaben, dass alle Gläubiger an dem Sanierungsplan beteiligt sind, falsch. Dies konnte die beklagte Spedition aber nicht wissen und diesen Umstand hält der BGH infolgedessen für unerheblich.

3. Ursachen der Insolvenz und positive Fortführungsprognose

Der Gläubiger kann aber nur dann von einem schlüssigen Sanierungskonzept des Schuldners ausgehen, wenn er in Grundzügen über die wesentlichen Grundlagen des Konzeptes informiert ist. Dazu gehören die Ursachen der Insolvenz, die Maßnahmen zu deren Beseitigung und eine positive Fortführungsprognose.

Wenn ein Unternehmen ständig mit Verlust arbeitet, ist eine Sanierungsvereinbarung, mit der lediglich der gegenwärtige Schuldenstand reduziert wird, nicht tragfähig. Durch einen erneuten Anstieg der Verbindlichkeiten ist eine erneute Insolvenzreife absehbar. Infolgedessen verlangt der Bundesgerichtshof für ein schlüssiges Sanierungskonzept, dass u.a. die Ursache der Insolvenz dargelegt wird. Es muss dargestellt werden, mit welchen Maßnahmen diesen Ursachen begegnet wird. Diese Maßnahmen müssen eine positive Fortführungsprognose begründen.

Es ist zumindest Art und Höhe der bei Sanierungsgewinn bestehenden ungedeckten Verbindlichkeiten des Schuldners offenzulegen. Auch muss dem Gläubiger bekannt gemacht werden, in welcher Weise mit dem Sanierungsplan der Insolvenzgrund beseitigt werden soll. Dies muss nicht durch einzelne Details dargestellt werden, aber zumindest durch Schilderung der Grundzüge.

Diese vorgenannten Voraussetzungen erfüllte der Sanierungsplan, der der Spedition unterbreitet wurde, nicht. Infolgedessen konnte sich die Spedition nicht auf ein ernsthaftes Sanierungsbemühungen berufen. Da sie die Beweislast dafür trägt, dass ihre Zahlung auf der Basis eines schlüssigen Sanierungsplanes erfolgt ist, war die Anfechtungsklage begründet und musste die beklagte Spedition die erhaltene Zahlung an die Insolvenzmasse zurückgewähren.

4. IDW Standard

Der Bundesgerichtshof führte in dem vorgenannten Urteil im Weiteren aus, dass der Sanierungsplan eines Schuldners nicht den formalen Erfordernissen entsprechen muss, wie sie das Institut der Wirtschaftsprüfer in dem IDW Standard S6 als Mindestvoraussetzungen an Sanierungskonzepte aufgestellt hat.

II. Kernaussage

Kernaussage des Bundesgerichtshofes ist also, dass die Benennung der Ursachen der drohenden Insolvenz, der Maßnahmen, mit denen diesen Ursachen begegnet wird und eine daraus resultierende positive Fortführungsprognose unabdingbare Voraussetzung für einen schlüssigen Sanierungsplan sind.

Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, kann jeder Gläubiger, der ein derartiges Angebot unterhält, den Sanierungsplan mit knapper Antwort zurückweisen.

Wenn Sie zu dieser Thematik oder weiteren Aspekten des Insolvenzrechtes Fragen haben, melden Sie sich gerne unter lange@daniel-hagelskamp.de oder über meine Mitarbeiterin, Frau Kalem unter der Telefon-Nr.: 0241/94621-138.

Carsten Lange
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Insolvenzverwalter
Mediator/ Wirtschaftmediator (DAA)